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Aktive
Verslummung - Berlin wird Weltstadt
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und den damit von den politisch Verantwortlichen geforderten Einsparungen stellen sich auch für das Fach Architektur wesentliche Fragen. Diskutiert werden dabei sowohl die Beschränkung der Lehre auf ausschließlich ökonomisch und technische Aspekte als auch der grundsätzliche Verbleib des Faches an der Universität. Verbunden mit dieser Neuausrichtung ist auch die Hoffnung einer Verbesserung der sogenannten Praxistauglichkeit des vermittelten Wissens. Doch was bedeutet Praxistauglichkeit eigentlich im Kontext der gebauten Umwelt der letzten zehn Jahre? Bedeutet es das Gehirn auszuschalten, um noch schneller Shopping-Center und schlechte Büroflächen mit Leerstandsgarantie zu bauen? Oder ist mit Praxistauglichkeit doch eher Fingerfertigkeit im Durchzeichnen von Schlossfassaden gemeint? Gerade wenn man die Bereiche betrachtet, in denen ArchitektInnen heute arbeiten, wird deutlich, dass eine Spezialisierung der Ausbildung auf eine reine Bautätigkeit keinen Sinn macht. Die Fähigkeiten der ArchitektInnen sind grundlegender: auf unterschiedlichsten Ebenen zu agieren und diese operativ in ein Ganzes umzusetzen. Um diese Fähigkeit ausüben zu können, ist eine gesamtheitliche Ausbildung jedoch unverzichtbar. Dabei stellt sich für uns die grundsätzliche Frage, was überhaupt einen Architekturstudiengang an einer Universität ausmachen kann? Mit welchen Zielen studieren wir Architektur und welche Fähigkeiten wollen wir im Kontext der Gesellschaft entwickeln? Und welche Bedeutung hat dabei die Universität als einem öffentlichen Ort, an dem grundsätzliches gesellschaftliches Wissen frei verhandelt werden kann?
Denn angesichts
der aktuellen politischen Diskurse stellt sich die Frage, ob eine
Gesellschaft überhaupt noch öffentliche Orte (commons, Dorfanger,
das Land oder allgemeiner der Raum der allen gehört) braucht
und sich diese leisten möchte. Denn wenn jegliche Aspekte menschlichen
Lebens der Ökonomie unterworfen werden sollen und damit auch
alle Unternehmungen und alle Materie privatisiert werden, ist jeder
schließlich nur noch seines nächsten Konkurrent um den
besten Standort im globalen Wettbewerb. Öffentlicher Raum, mit
ihm Öffentlichkeit und freier Diskurs, werden da schnell zu Nachteilen
in einem Wettlauf, den niemand gewinnen kann.
Dabei wird deutlich, wie wichtig ideelle Werte für eine Gesellschaft sind, Werte also, ohne die auch Architektur nicht denkbar erscheinen. Diese Werte lassen sich nicht in hohen Renditen beziffern, sondern beschäftigt sich mit grundsätzlichen Konditionen menschlicher Existenz: mit Wahrnehmung und Identität; mit Gestaltung und Harmonie, Schönheit und Hässlichkeit, Freiheit und Möglichkeit und den Träumen der Menschen. Architektur steht damit in einer großen Tradition: der Glaube daran, das es jenseits ökonomischer Prinzipien kulturelle Werte gibt, die erst unserer individuellen und gesellschaftlichen Existenz Sinn verleihen. Erst diese Freiheit, über Dinge nachzudenken und sie ohne Rücksicht auf ihre Verwertbarkeit zu realisieren, hat unsere Zivilisation, im guten wie im schlechten, hervorgebracht. Wäre es nach den Händlern gegangen, es hätte weder Eisenbahn noch Computer gegeben noch die vielfältigen Formen von Architektur, die den Investoren heute als Quelle für ihre sinnfreien Abziehbildchen zur Verfügung stehen. Händler verwalten kulturelles Kapital, das andere geschaffen haben. Dafür möchten sie, die Rendite im Sinn, am liebsten nicht einmal bezahlen. Diese Verdrängung ideeller kultureller Werte durch rein ökonomische Prinzipen stellt Architektur in einen größeren globalen Zusammenhang. Die inhumane Ausbeutung von Menschen in asiatischen Sweatshops und die Schließung von Opernhäusern oder die Privatisierung unserer öffentlichen Räume gehen auf ähnliches Denken zurück.
Unsere Aufgabe als ArchitektInnen und kulturelle PraktikerInnen muss darum sein, für die Anerkennung ideeller Werte zu kämpfen. Dabei sollten wir uns nichts vormachen lassen: das wir uns in Deutschland als einem der reichsten Länder der Erde keine Bildung mehr leisten können, hat vor allem damit zu tun, dass einige der globalen ökonomischen Eliten keine freie und unkontrollierte Bildung mehr ermöglichen wollen. Mit den Privatisierungen werden nicht nur der Zugang zu Bildung beschränkt sondern verstärkt auch inhaltlich Einfluss genommen. Dieses kurzsichtige und nur an unmittelbaren Gewinnen orientierte Denken stellt jedoch unsere Gesellschaft auf gefährliche Weise in Frage. In dieser Situation als ArchitektInnen gegen vermeintliche Gewissheiten wie leere öffentliche Kassen und Sparzwang und für eine Verbreitung ideeller Werte zu kämpfen, hilft vor allem auch uns selbst. Mit diesen kurz angerissenen Thesen und Fragen möchten wir einen Diskussionsprozess über eine eigene Positionierung hinsichtlich unseres Lernens und Forschens initiieren. Im Rahmen der informellen Universität wollen wir zu den verschiedenen angesprochenen Themenfelder Positionen erarbeiten und diese in Veranstaltungen öffentlich diskutieren.
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